Zum Inhalt springen
Anthony Dutruy ©

Linienflieger

Anthony Dutruy liebt es, an einem Berg seine ganz eigene Line zu hinterlassen. Im Interview verrät uns der Schweizer wie er zum Speedrider wurde und was ihn daran so fasziniert.

Anthony Dutruy ©

Anthony Dutruy ist zwischen Lausanne und Genf aufgewachsen. Sein Heimatskigebiet ist Glaciers 3000 (Les Diablerets), wo er auch heute noch am liebsten unterwegs ist.

Anthony, das Skifahren und du – wie hat das alles angefangen?
Als Kind war ich mit meinen Eltern jede Woche beim Skifahren. Dann kam die Freestyle-Phase im Snow Park. Wenn man 14 Jahre alt ist und coole Videos im Internet sieht, dann will man diese Tricks halt auch selbst machen. Durch einen Mitschüler bin ich dann bei der Junior Freeride World Tour gelandet und habe zwei Jahre lang an Freeride-Wettbewerben teilgenommen. Das war wirklich cool, weil man da auch Lawinentrainings bekommt.

Warum hast du das klassische Freeriden an den Nagel gehängt?
Mit 17 hatte ich eine Knieverletzung. Und damit sich das Knie wieder erholen konnte, durfte ich zwei Jahre fast gar nicht Ski fahren. Ich dachte, dass ich nie wieder von einem Steilhang springen würde, weil mein Knie bei jeder Landung echt weh getan hat.

Und die Alternative war dann Speedriding?
Ja, ich wollte unbedingt wieder freeriden, nur halt nicht vom Steilhang springen, sondern fliegen. Also habe ich erst meinen Paragliding-Schein gemacht und dann ein Jahr später mit Speedriding angefangen.

Worin unterscheidet sich dein Speedwing von einem normalen Gleitschirm?
Ein klassischer Gleitschirm hat eine Fläche von ca. 24 Quadratmetern, mein Speedwing hat sechs. Das ist winzig. Mit einem kleineren Schirm könnte man schon gar nicht mehr fliegen.

Anthony Dutruy ©
Anthony Dutruy ©

Was ist deine Höchstgeschwindigkeit beim Speedriden?
Mit meinem Speedwing kann ich bis zu 130 Stundenkilometer schnell werden. Das ist drei- bis viermal so schnell wie mit einem normalen Gleitschirm!

Findest du es heute immer noch so aufregend wie bei deinen ersten Flügen?
Natürlich ist es immer noch aufregend. Aber wenn man hunderte Flüge gemacht hat, dann geht’s nicht mehr unbedingt um den Kick und das Adrenalin, sondern eher darum, eine schöne Line am Berg zu hinterlassen – die perfekte Line aus Skifahren und Fliegen. Viele Leute denken vielleicht, dass wir einfach nur leichtsinnig und verrückt sind. In Wahrheit wird jeder Flug sorgfältig geplant! Das ist nicht so lustig wie es aussieht. Bei 100 Stundenkilometern hat das Gehirn keine Zeit mehr, Entscheidungen zu treffen. Man kann sich nicht einfach in letzter Minute überlegen, wo man landet.

Wie lange dauert so ein Flug normalerweise?
Zwei Minuten. Also: sehr kurz. Mein längster Flug hat vielleicht fünf Minuten gedauert. Mit einem normalen Gleitschirm kann man die Thermik nutzen, um wieder etwas an Höhe zu gewinnen. Mit dem Speedwing geht es immer nur bergab. Und wenn es Thermik gibt, dann fliegt man da einfach durch und spürt bestenfalls einen kleinen Ruckler.

Wenn man Hunderte Flüge gemacht hat, dann geht es nicht mehr unbedingt um den Kick, sondern darum eine schöne Line am Berg zu hinterlassen.

Anthony Dutruy

Neben dem Sport hast du einen Master an der ETH Zürich gemacht, arbeitest bei Swiss Air und hast auch noch ein Start-up - Kiss of Life - aufgebaut. Wie bringst du das alles unter einen Hut?
Das ist meine größte Herausforderung! Die Woche ist eigentlich immer zu kurz! Aber man muss das ganz rational betrachten: Speed-riding ist kein Sport, von dem man leben kann und das Verletzungsrisiko ist hoch. Deshalb ist es klug, einen Backup-Plan zu haben.

So wie es aussieht hast du sogar mehrere. Bei Kiss of Life habt ihr einen neuen Lawinenrucksack entwickelt. Was ist daran so besonders?
Airbag-Rucksäcke sind aktuell das, was am besten funktioniert. Wenn du in eine Lawine gerätst, ziehst du die Reißleine, der Airbag geht auf und im Idealfall treibst du damit auf der Lawine. Aber wenn du trotzdem unter die Schneemassen kommst, ist der Airbag nutzlos und du musst hoffen, dass deine Freunde dich innerhalb von
15 Minuten finden und ausgraben. Unser Lawinenrucksack ist so konstruiert, dass man die Luft aus dem Airbag atmen kann, falls man verschüttet wird – und das für mehr als 90 Minuten. Die ersten Prototypen haben sehr gut funktioniert und wir hoffen, dass wir für die Idee einen Investor finden.

Wir drücken euch die Daumen! Vielen Dank für das Interview!

Anthony Dutruy ©
Anthony Dutruy ©

EOFT 2025 Programm

Drop the Line ist Teil des EOFT 2025/26 Filmprogramms.