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Freja Shannon

Sie liebt das Klettern in all seinen Facetten – so sehr, dass sie nie darüber nachgedacht hat, wie gefährlich es sein kann. Erst ein Unfall zeigte ihr, dass der Sport nicht jedes Risiko wert ist.

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Freja Shannon

Freja Shannon

Eisklettern, Mixed, Sportklettern oder alpine Routen: Freja wechselt mit den Jahreszeiten und widmet sich dem Klettern mit ganzem Herzen. Sie wuchs in Schweden und Irland auf und zog mit 19 Jahren nach Chamonix. Ein paar Jahre lang hielt sie sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser: auf dem Friedhof, im Altersheim, als Babysitterin oder hinter der Bar – bis das Geld für den nächsten Klettertrip reichte. Heute ist sie 28 und macht eine Ausbildung zur Bergführerin.

Die Verbindung ruckelt kurz, dann erscheint Freja Shannon im Video-Call. Mit weißen Streifen im Gesicht und an den Händen schaltet sie sich zum Interview. Chalk? Natürlich! Seit sie mit 19 den Klettersport für sich entdeckt hat, verbringt sie jede freie Minute damit. Am liebsten rund um ihre Wahlheimat Chamonix. Hierher zu ziehen, das war eigentlich nie geplant. Ursprünglich wollte sie nur eine Skisaison in Andorra verbringen, landete dann aber spontan in einem 24-Stunden-Bus nach Frankreich.

Der Schnee schmolz, aber Freja blieb, kletterte ihre ersten Routen und sagte alle anderen Sommerpläne ab. „Endlich habe ich ein Zuhause“, sagt sie. Halb Irin, halb Schwedin wechselte sie zuvor alle zwei Jahre zwischen den Ländern. „Dadurch war ich immer ein bisschen anders.“ Doch in der Klettercommunity von Chamonix fühlt sie sich zugehörig: „Hier sind die coolsten Menschen aus aller Welt, die alle möglichen Sportarten machen. Ich wollte sofort Teil dieses Clubs sein.“

Hier sind die coolsten Menschen aus aller Welt, die alle möglichen Sportarten machen."

Freja Shannon über Chamonix

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Ein Leben ohne Klettern? „Kaum vorstellbar“, sagt Freja. „Lange Zeit war meine Beziehung zum Klettern von Angst und Leistungsdruck geprägt. Ein oder zwei Tage ohne Klettern waren für mich eine Katastrophe, meine Stimmung und mein Selbstwertgefühl hingen komplett davon ab.“ Kein Wunder, dass sie nach ihrem zehn Meter tiefen Sturz auf ein Felsplateau nicht umkehren wollte. Als ihr Kletterpartner, ein enger Freund und Bergführer, ihr die Ausrüstung abnimmt und einen Helikopter ruft, wird sie wütend. „Ich wollte diese Route unbedingt klettern. Ich erinnere mich genau an diesen Morgen im Januar – der Himmel war rosa, die Sonne ging auf… es war so perfekt!“ Zum Glück traf ihr Partner die richtige Entscheidung: Diagnose gebrochener Rücken, drei Wochen im Bett.

Ein oder zwei Tage ohne Klettern waren für mich eine Katastrophe, meine Stimmung und mein Selbstwertgefühl hingen komplett davon ab.

Freja Shannon

Bis zu ihrem letzten Röntgentermin kann sich Freja zusammenreißen, trifft Freund:innen, malt, hört Podcasts. „Ich habe gemerkt, dass das Leben auch gut sein kann, ohne dass man ständig in den Bergen ist und Erfolge erzielt. Es war wichtig, einfach mal loszulassen. Heute priorisiere ich besser und frage mich: Lohnt sich diese große alpine Tour bei schlechten Bedingungen wirklich? Die Antwort ist: Nein. Ich habe das schon einmal gemacht und dabei einen Unfall gehabt.“ Dennoch hängt sie drei Monate nach ihrem Unfall schon wieder in der Wand, beweist es allen - und vor allem sich selbst: „Ich wollte nicht, dass sich Angst aufbaut. Klettern bedeutet mir so viel, daran sollte sich nichts ändern.“

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Bis zu einem echten Comeback muss sich Freja aber noch gedulden - ihre Ausbildung zur Bergführerin nimmt sie voll in Anspruch. Doch ein Ziel hat sie fest im Blick: Ave Caesar (7c), eine (größtenteils) ungesicherte Alpin-Route am Petit Clocher du Portalet in den Schweizer Alpen. Eine messerscharfe Granitnadel, die senkrecht in den Himmel ragt – durchzogen von beeindruckenden Riss- und Verschneidungssystemen. Ein Bild wie aus Patagonien. Freja und Ave Caesar kennen sich schon: Ein Jahr zuvor hatte sie die Route bereits versucht, erfolglos. „Ich dachte, wenn ich es nach dem Unfall durchziehe, wäre das super fürs Selbstvertrauen. Die erste Seillänge habe ich nur geschafft, weil ich so Angst vorm Fallen hatte, dass ich mich einfach festklammerte.“

Früher kannte sie solche Angst nicht: „Ich war ziemlich naiv. Ich habe das Klettern einfach nur geliebt und nicht über die Gefahr nachgedacht. Rückblickend wundere ich mich, dass nie etwas passiert ist.“ Erst durch ihren Unfall wurde Freja klar, wie sehr sie der Sport auch mental fordert. Plötzlich sieht sie überall potenzielle Gefahren. Umso wichtiger, genau dann jemanden an seiner Seite zu haben, dem man voll vertraut.

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Freja Shannon (links), Ariane Moreau (rechts)
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Ariane Moreau

Für die Route Ave Caesar war das Ariane Moreau: „Sie ist meine beste Freundin auf der ganzen Welt. Bei Ariane kann ich ganz ich selbst sein.“ Kennengelernt haben sie sich vor zehn Jahren als Mitbewohnerinnen in Chamonix und Ariane brachte Freja das Klettern bei. „Ave Caesar war ein cooles Projekt, das wir gemeinsam angehen konnten. Vor allem, weil dabei ein Film entstand, den wir uns anschauen können, wenn wir alt sind.“ Im Vorstieg liegt Arianes persönliches Limit zwar etwas unter dem von Freja. Doch die beiden wechseln sich beim Vorstieg ab, ergänzen sich gut und können so trotzdem die Route gemeinsam klettern.

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Hat Freja heute mit dem Unfall abgeschlossen? Fast. Denn die Route, bei der sie stürzte, lässt sie noch nicht ganz los. Gemeinsam mit ihrem damaligen Kletterpartner schmiedet sie bereits Pläne für den nächsten Winter. „Ich habe meine beiden Lieblings-Klemmgeräte dort oben gelassen. Die will ich unbedingt zurück.“

EOFT 2025 Programm

Freja's Back ist Teil des EOFT 2025/26 Filmprogramms.