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Behind the film

972 Breakdowns

Pleiten, Pech und 972 Pannen: Efy, Elisabeth, Kaupo, Anne und Johannes sind mit vier alten Ural-Motorrädern von Halle (Deutschland) nach New York gefahren. Wir lassen die Reise in aller Kürze noch einmal Revue passieren.

Aktuelles:
In den letzten Monaten haben sie eine große Ausstellung rund um ihre große Reise vorbereiten, die ab 21.10.2023 auf Schloss Augustusburg bei Chemnitz (Sachsen) zu sehen ist.

Daten und Fakten

Das Team

Efy, Elisabeth, Kaupo, Anne und Johannes

Das Ziel

New York City

Die Route

10.000 Kilometer Land und 80 Kilometer offenes Meer zwischen Russland und Alaska - die Beringstraße.

Die Fahrzeuge

4 alte Ural Motorräder mit Beiwagen

Aus dem EOFT-Magazin

Irgendwo an einem Fluss mitten im fernen Osten Russlands stehen fünf Menschen und vier Motorräder mit Beiwagen. Die Motorräder sehen aus, als hätten sie viel erlebt, und Efy, Elisabeth, Kaupo, Anne und Johannes in ihren dreckigen Jeans und abgewetzten Lederjacken auch. „Wir haben das Öl abgelassen und das ganze Zeug, das nicht nass werden darf, raus… und probieren jetzt, hier den Fluss zu durchqueren.“ Johannes watet durchs hüfthohe Wasser auf die andere Seite. Da müssen die Motorräder also durch, vorsichtshalber an einem Seil. Efy schiebt die erste Maschine kurzerhand ins Wasser. Die Strömung zerrt an dem unförmigen Gespann. Anne, Kaupo und Johannes ziehen, was das Zeug hält. Elisabeth filmt. Endlich haben sie es geschafft. Ok, und das Ganze jetzt noch dreimal?

Es ist an der Zeit, sich zu fragen, ob es wirklich eine gute Idee war, die alte „Road of Bones“ zu nehmen. Eine Abkürzung, zumindest was die Kilometer betrifft - und Johannes, Efy, Anne, Elisabeth und Kaupo haben es eilig. Ihre Visa sind kurz davor abzulaufen und wenn sie länger im Land bleiben als erlaubt, gelten sie in Russland als illegale Einwander:innen.

Vor elf Monaten sind sie in Halle an der Saale aufgebrochen. Fünf Künstler:innen, die gerade ihr Studium beendet haben und nun mit vier alten Ural-650-Motorrädern auf dem Landweg nach New York wollen. Das Modell ist für seine Zicken bekannt, kann aber auch überall wieder repariert werden - und darin sind sie nach 20.300 Kilometern schon fast Expert:innen.

Wenn da eine qualmende Ural am Straßenrand steht, dann halten die Einheimischen in 99% der
Fälle an.

„Durch die ganzen Pannen hatten wir einen ganz natürlichen Zugang zu den Leuten vor Ort. Wenn da eine qualmende Ural am Straßenrand steht, dann halten die Einheimischen in 99% der Fälle an“, sagt Anne. Auch Jahre nach dem Abenteuer sind ihre Erinnerungen an die ganzen absurden Situationen noch nicht verblasst: „Ich möchte den Leuten gerecht werden, indem ich mich an sie erinnere.“ Es heißt, man trifft sich immer zweimal im Leben. Wenn man eine Ural 650 fährt, vielleicht noch öfter. „Wir haben irgendwann aufgehört Tschüss zu sagen,“ sagt Elisabeth, „denn wir sind ja meistens eh gleich wieder zurückgekommen, weil dann schon wieder was anderes kaputt war.“

URAL 650

Die URAL 650 (mit Beiwagen!) gilt unter Kennern als besonders unzuverlässiges Modell und ist für seinen starken Eigenwillen bekannt. Es nimmt seinen Fahrer:innen meist die Entscheidung ab, ob sie halten oder weiterfahren wollen.

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Auf der alten „Road of Bones“ sind die Fünf auf sich allein gestellt. Doch nach einigen riskanten Flussquerungen geht es nicht mehr weiter. Mitten auf einer kaputten Holzbrücke bricht die Straße einfach ab. Keine Chance, die Motorräder ohne fremde Hilfe aus gut fünf Metern Höhe auf den Boden zu befördern. Außerdem gehen die Vorräte zur Neige. Sie müssen Hilfe holen, zu Fuß. Laut Karte soll es in der Nähe eine Stadt geben. Also los.

Situationen wie diese haben einen bleibenden Eindruck bei Elisabeth hinterlassen: „Sowas gibt es im Alltag nicht. Weil du da nie in diesem Maße auf dich selbst zurückgeworfen wirst. Einfach mal zu verstehen, wo du stehst auf dieser Welt, in dieser riesigen Natur, auch ohne diesen ganzen digitalen Kram. Das war ein Gefühl, das ich nie vergessen werde.“

Die alte "Road of Bones" macht mit 300 Kilometern nur einen kleinen Teil der 43.000 Kilometer langen Strecke von Halle nach New York aus, doch sie ist schwieriger als gedacht. Zum Glück findet sich ein LKW-Fahrer, der den fünf Abenteurer:innen aus der Patsche hilft. Eine ständige Herausforderung ist die Suche nach den passenden Ersatzteilen. Manchmal wird eine ganze Maschine einfach nur zum "Ausschlachten" gekauft.

In der Wildnis bleibt einem nichts anderes übrig als zusammenzuhalten. Hier gibt es keine Tür, die man hinter sich zumachen könnte. Keine Privatsphäre. Aber viel Raum für Konflikte, die man nicht einfach aussitzen kann, sondern ausdiskutieren muss. Und nur eine Plane für fünf Personen, unter der die ganze Gruppe Abend für Abend zusammen kommt, um nebeneinander ihre Schlafsäcke auszurollen. Bislang hat das funktioniert.

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Jede:r im Team ist an der großen gemeinsamen Aufgabe gewachsen. Johannes kann zum Beispiel die russischen Namen sämtlicher Ural-Ersatzteile aus dem Effeff. Anne und Elisabeth haben gelernt, wie sie ihren weiblichen Charme am besten bei den Behörden einsetzen. Kaupo flucht auf Russisch wie ein Weltmeister und Efy hat – zumindest seit sie einmal Pferdefutter mit Reis verwechselt hat – den Lebensmitteleinkauf fest im Griff.

Mit leerem Magen und auf der Suche nach irgendjemandem, der ihnen helfen kann, haben die Fünf inzwischen die ominöse Stadt in der Wildnis erreicht. Sie scheint verlassen zu sein, bis wie aus dem Nichts ein Lastwagen vorfährt. Der Fahrer fackelt nicht lange. Er bringt die fünf Abenteurer:innen zurück zu ihren Motorrädern und hilft ihnen, die Maschinen wieder auf fahrbaren Grund zu setzen. Die Reise geht weiter.

Gerade noch rechtzeitig vor Ablauf ihrer Visa verlassen Johannes, Efy, Elisabeth, Anne und Kaupo das Land, um den Winter in Kanada zu verbringen. In Vancouver wollen sie die Reisekasse auffüllen und den schwierigsten Teil ihrer Expedition planen, die Fahrt auf der Kolyma im nächsten Frühjahr. Diese Etappe im Winter, also auf dem zugefrorenen Fluss zu fahren, wäre ohnehin undenkbar gewesen. „Wir hatten insgesamt 972 Pannen“, sagt Anne, „diese Motorräder sind also wirklich unzuverlässig. Damit bei Minus 60 Grad durch Russland zu fahren, ist noch bescheuerter als die Motorräder auf den Fluss zu bringen.“

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Baden gegangen sind die Motorräder ja schon öfter. Jetzt lernen sie auch noch schwimmen. Im Viererpack, damit keines verloren geht. Auf diesem Floß muss sich das Team an eine neue Kommandostruktur gewöhnen. „Vorher waren wir natürlich demokratisch unterwegs, aber das ging auf einmal nicht mehr“, sagt Elisabeth. „Da musste ein Kapitän ran. Man kann nicht diskutieren, ob man rechts oder links um die Sandbank herumfahren will. Denn dann ist man schon – zack! – aufgelaufen!“ Befehle einfach auszuführen, das war für alle zunächst ungewohnt und hart. Doch diese Entwicklung war nur eine Wandlung von vielen, die das Team im Laufe ihrer langen Reise durchmachen musste.

Als sie durch Kanada fahren, treffen sie am Yukon einen Mann. Als der ihre Geschichte hört, ist er begeistert: „Hier kommen so viele Leute auf irgendwelchen Flößen runtergedümpelt. Aber ihr seid, die Ersten, die ich treffe, die noch miteinander reden!“ Ein schöneres Kompliment kann es eigentlich nicht geben. Johannes, Efy, Elisabeth, Anne und Kaupo haben nicht nur bis New York durchgehalten. Sie sind noch immer befreundet, auch wenn der Kontakt heute naturgemäß etwas weniger intensiv ist.

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